Wie hat sich die Raumwahrnehmung in 61 Jahren entwickelt?

Nachdem ich nach der Serie „The First“ angefangen hatte, „Mars“ zu sehen, fragte ich mich, wie der Flug der Marsmission in der Gesellschaft wahrgenommen werden würde. In beiden Serien wurde aus irgendeinem Grund nicht betont, dass die ganze Welt an den Bildschirmen festhielt und sich mit dieser historischen Aktion befasste. Es gab das Gefühl, dass wenn wir den Beginn einer bemannten Mission zum Mars erleben, dies nicht so sehr zu einer Sensation wird wie der Start des ersten Satelliten. 2,3 Millionen Menschen haben den Start von Falcon Heavy in diesem Jahr auf YouTube gesehen, anscheinend viel, und dies ist der zweite Platz in der Geschichte der Streams. Aber der erste Platz, ein Sprung aus der Stratosphäre von Felix Baumgartner, wurde von 8 Millionen Menschen beobachtet. Lebendige Weltraumereignisse wirken als Leuchtfeuer und ziehen Menschen an. Wenn ihr Licht nicht so viel ruft, werden dann neue Menschen nicht in den Weltraum gehen? Nein. Im Laufe der Jahre hat sich ihre Wahrnehmung verändert, und im Allgemeinen wird alles in Ordnung sein. Nur die Bedeutung des Ausdrucks "Raketenwissenschaft" im Englischen muss sich ändern.


Die Zuschauer sehen den Start des STS-119, Foto Blake Estes

Die Reaktion der Welt auf den Start des ersten Satelliten war von Panik bis Euphorie sehr unterschiedlich, aber sehr hell. Aus offensichtlichen Gründen kennen wir die Reaktion der Vereinigten Staaten am besten - eine der beiden Supermächte befindet sich in einer sehr unangenehmen Situation. Und es kann nicht gesagt werden, dass der Rest der Angelegenheiten der Amerikaner wolkenlos war - eine wirtschaftliche Rezession begann im Sommer, und nach drei Jahren des Kurswachstums fiel der Dow Jones-Index von Juli bis Oktober 1957 um 21%. Die sozialen Probleme nahmen zu - zum ersten Mal seit 1875 wurde das Bürgerrechtsgesetz verabschiedet, das die Rassengleichheit und die Aufhebung der Rassentrennung in öffentlichen Schulen unterstützen soll (zur Atmosphäre von Rassenproblemen und Raum siehe Film „Hidden Figures“ ). Und dann warf der sowjetische Satellit sofort mehrere Herausforderungen an das Land, das sich als das erste in allem betrachtete - wissenschaftliche, technische, militärische und prestigeträchtige Herausforderungen.


Titelseite der New York Times 5. Oktober. Auf der zweiten Seite gibt es sogar ein Foto von Tsiolkovsky

Im militärischen Sinne funktionierte die Analogie der „dominanten Höhe“ - die Umlaufbahn des Satelliten wurde als Brücke wahrgenommen, von der aus die UdSSR Wasserstoffbomben auf alle unter ihnen abwerfen konnte. Der Weltraum schien ein neues Schlachtfeld zu sein, und wenn Großbritannien in der Neuzeit stark mit Schiffen war und die Bomberarmada Mitte des 20. Jahrhunderts ein sichtbarer Ausdruck der US-Macht war, stellte sich nun die Frage, wer im Weltraum stark sein wird. Und wenn US-Präsident Eisenhower in den frühen Tagen des Weltraumzeitalters versuchte, das Land zu beruhigen, indem er über die Sicherheit des Satelliten sprach, dann skizzierte er Anfang 1958 die gleichen drei Herausforderungen - die wissenschaftlichen, technischen, militärischen und das Prestige der Vereinigten Staaten. Infolge des Starts des Weltraumrennens wurden nicht nur die Bestellungen für Militärraketen erhöht, sondern auch die Ausbildungskosten, nicht nur für die NASA, sondern auch für die DARPA.

Öffentliche Panik zeigt sich wahrscheinlich am besten in Stephen Kings Memoiren:

Wir saßen wie Schaufensterpuppen auf Stühlen und sahen den Manager an. Er sah alarmiert und schmerzhaft aus - oder vielleicht war es die Schuld der Beleuchtung. Wir fragten uns, was für eine Katastrophe ihn veranlasste, den Film im angespanntesten Moment zu stoppen, aber dann sprach der Manager und das Zittern in seiner Stimme verwirrte uns noch mehr. "Ich möchte Sie informieren", begann er, "dass die Russen einen Satelliten in die Erdumlaufbahn gebracht haben." Sie nannten ihn ... "Begleiter". Die Nachricht wurde mit absoluter tödlicher Stille begrüßt. Ich erinnere mich sehr gut: Die schreckliche tote Stille des Kinos wurde plötzlich von einem einsamen Schrei unterbrochen. Ich weiß nicht, ob es ein Junge oder ein Mädchen war. Seine Stimme war voller Tränen und verängstigter Wut: „Lass uns den Film zeigen, Lügner!“. Der Manager schaute nicht einmal in die Richtung, aus der die Stimme kam, und aus irgendeinem Grund war es die schlimmste von allen. Das war der Beweis. Die Russen sind uns im Weltraum voraus

Der Science-Fiction-Autor Arthur Clark, der sagte, die Vereinigten Staaten hätten sich nach dem Start des sowjetischen Satelliten in eine Sekundärmacht verwandelt, drückte Veränderungen im Bewusstsein der Gesellschaft aus. Die vom ersten Satelliten erzeugten Wellen führten zum Beispiel zu einem prätentiösen Design von Autos, das Ärger verursachte. „Unsere Ingenieure verschwenden Zeit mit Frivolität.“ Der erste Satellit könnte einer der Gründe für das Scheitern der Automarke Edsel werden.


1958 Edsel

Für einige war der Start des sowjetischen Satelliten eine echte Tragödie - der Roman „Atlas Shrugged“, der nur eine Woche später veröffentlicht wurde, postulierte Ain Rand eine kreative und industrielle Katastrophe in der sozialistischen Gesellschaft. Die Frustration der Auswandererin aus der UdSSR und der leidenschaftlichen Antikommunistin Rand war so groß, dass sie zu der großen öffentlichen Freude zu argumentieren begann , dass die UdSSR angeblich keinen Satelliten gestartet habe.

Ein Teil des Interesses an Sputnik wurde emotional neutral umgesetzt - Musik, Tanz, Cocktails oder sogar Frisuren, zum Beispiel japanische.


Aufgenommen aus dem Video von Roskosmos TV

Aber es gab auch den entgegengesetzten Pol - für viele Menschen wurde der Satellit zu einem hellen Stern der Hoffnung. Science Fiction Ray Bradbury schrieb:

In dieser Nacht, als Sputnik zum ersten Mal den Himmel verfolgte, schaute ich (...) auf und dachte über die vorgegebene Zukunft nach. Immerhin war dieses kleine Licht, das sich schnell von Rand zu Rand des Himmels bewegte, die Zukunft der gesamten Menschheit. Ich wusste, dass wir, obwohl die Russen in ihren Bemühungen wunderschön sind, ihnen bald folgen und ihren richtigen Platz am Himmel einnehmen werden (...). Dieses Licht am Himmel machte die Menschheit unsterblich. Die Erde konnte immer noch nicht für immer unser Zufluchtsort bleiben, denn eines Tages kann erwartet werden, dass sie an der Kälte oder Überhitzung stirbt. Der Menschheit wurde befohlen, unsterblich zu werden, und dieses kleine Licht am Himmel über mir war der erste Blick der Unsterblichkeit.
Ich segnete die Russen für ihren Wagemut und erwartete kurz nach diesen Ereignissen die Gründung der NASA durch Präsident Eisenhower.

Und vor allem auf der ganzen Welt rief der Satellit nach Kindern. Sicher gab es Hunderte und Tausende von ihnen, aber die berühmteste Geschichte der beiden. Homer Hickam wurde 1943 in der amerikanischen Wildnis geboren. Die Stadt Coalwood wurde in den besten Jahren von zweitausend Menschen bewohnt, deren Leben mit einer Kohlenmine verbunden war. Es war möglich, davon zu entkommen, außer durch sportliche Erfolge in der Schule oder im Militärdienst, und Homer, ein Bergmann wie ein Vater zu sein, aber Sputnik änderte alles.


Hickam mit Freunden und einem Raketenmodell, Foto aus dem Familienarchiv

Homer interessierte sich für den Weltraum, begann mit Freunden Modellraketen herzustellen und zu starten, gewann die National School Fair und bekam die Möglichkeit, kostenlos an der Universität zu studieren. Nach der High School und dem Militärdienst begann er bei der NASA zu arbeiten, wo er sich mit dem Bau von Raumfahrzeugen und der Ausbildung von Astronauten beschäftigte. Und 1998 wurden seine Memoiren "Rocket Boys" veröffentlicht, nach denen sie den exzellenten Film "October Sky" drehten.


Mike Mullein mit einer Modellrakete, Foto von der offiziellen Website

Richard "Mike" Mullane beschrieb sehr anschaulich, wie sein Leben den Start des ersten Satelliten veränderte. Königskerze, geboren 1945 im Jahr 1957, wurde 12 Jahre alt. Und er lebte in Albuquerque, einer Stadt in einem dünn besiedelten Gebiet mit Wüstenklima. Die mangelnde Beleuchtung ermöglichte es, die Sterne zu beobachten und zu fotografieren, und es war kein Problem, einen Ort ohne Personen und Eigentum zu finden, der durch Raketenstarts beschädigt worden sein könnte. Der Wunsch, in den Weltraum zu fliegen, ist zum Kern von Mikes Leben geworden. Als Kind schrieb er an die NASA mit dem Vorschlag, erwachsene Astronauten durch leichtere Teenager zu ersetzen, was die Masse der Raumschiffe einsparen würde (natürlich nicht direkt seine Kandidatur anbieten, aber es war ein ziemlich transparenter Hinweis). Der Astigmatismus setzte der Hoffnung ein Ende, durch einen Testpiloten in die Gruppe der Astronauten aufgenommen zu werden. Glücklicherweise haben sie das Space Shuttle entwickelt, mit dem Menschen, die mit Brille fliegen, nicht pilotierende Schiffe fliegen können. Königskerze war in der ersten Gruppe von Shuttle-Astronauten, machte drei Flüge und schrieb absolut erstaunliche Memoiren .

Nachfolgende Weltraumereignisse zogen auch Menschen an. 2016 fand die Rallye „Als Gagarin flog“ statt, bei der die Erinnerungen der Menschen an den 12. April 1961 gesammelt wurden. Sie können eine Auswahl von Interviews sehen . In den Memoiren des kanadischen Astronauten Chris Hadfield wird erwähnt, dass der Anstoß für seine Faszination für den Weltraum die Landung von Apollo 11 auf dem Mond war. Der Einfluss neuerer Ereignisse spiegelt sich in den Memoiren aufgrund der vergleichenden Jugend derer, die sie beeinflussten, kaum wider. Aber im Allgemeinen wurden die Ereignisse kleiner, und es gab eindeutig nicht so viel Aufsehen von ihnen wie zu Beginn der Astronautik. Das ist logisch - die ersten Erfolge waren wirklich die ersten Schritte ins Unbekannte. Jetzt gibt es mehr Wissen und es ist schwierig, etwas zu tun, das vorher nicht existierte. Bedeutet dies, dass der Raum keine neuen Menschen mehr fordert? Auf die alte Art - ja, aber zum Glück sind neue Trends aufgetaucht.

Die erste wird durch die folgenden Nachrichten gut illustriert:


Aufnahme aus dem ABC7-Video

Anfang 2018 führte der ABC7News-Kanalhubschrauber einen normalen Flug über die Stadt Alamida (Kalifornien) durch. Plötzlich war unten eine echte Rakete zu sehen, und nach Ruß auf Beton zu urteilen, wurden ihre Motoren hier bereits getestet. Es stellte sich heraus, dass es sich um das private Raumfahrtunternehmen Stealth Space handelte, das ohne PR seine Astra-Booster-Rakete testete.


Foto von Michael Howar / Spaceflight Insider

Als ob das Design am Knie die Triebwerke der Vector-R-Rakete wären, die ebenfalls aus privater Produktion stammen. Sie werden jedoch auf einem 3D-Drucker gedruckt und bestehen nur aus 15 Teilen. Es gibt Dutzende ähnlicher Raketen-Startups auf der ganzen Welt. Und wenn vor 61 Jahren der Start des Satelliten die Anstrengungen einer Supermacht erforderte, können jetzt mehrere Menschen ihn erhalten, nachdem sie im Vergleich zum Staatshaushalt einen Cent erhalten und in der Werkstatt eine Rakete zusammengebaut hatten, die etwas weiter fortgeschritten war als die Garage.

Der zweite Trend wird durch die private Firma Planet Labs veranschaulicht, die es geschafft hat, mehr als eineinhalbhundert Würfel Dove / Flock auf den Markt zu bringen, um ein kontinuierliches Schießen der gesamten Erdoberfläche zu gewährleisten. Die resultierenden Daten werden dann mit moderner Computertechnologie verarbeitet.



Diese Grafik zeigt die Anzahl der gestarteten Satelliten mit Massenverteilung. Schwarzlicht- und Ultraleichtflugzeugsatelliten mit einem Gewicht von weniger als 100 kg. Der starke Anstieg der Anzahl der Cubsat ist eine Folge der Tatsache, dass nicht nur private Unternehmen, sondern auch Universitäten und sogar Schulkinder einen Satelliten bauen und starten können.

Allgemeine Schlussfolgerung: Der Kosmos ist den Menschen viel näher gekommen. Anstatt den Ruf von weit entfernten Satelliten anzunehmen, kann eine Person heute die Astronautik in ihrer Kindheit und auf einer sehr ernsten Ebene kennenlernen. Besonders erfolgreich kann sogar an der Schaffung und dem Start eines echten Raumfahrzeugs teilnehmen. Und die Fülle an Rauminhalten könnte den Raum noch früher interessieren. Die Tochter meiner Freunde, die in zwei Jahren versehentlich eine Videotour durch die ISS von Sunita Williams gesehen hat, sieht sich jetzt anstelle von Cartoons Weltraumvideos in der Nacht an. Natürlich gibt es keine Garantie dafür, dass unsere Nachkommen diese Tatsache zu Beginn der Memoiren eines Astronauten, Wissenschaftlers oder Ingenieurs lesen, aber diejenigen, die möglicherweise am Weltraum interessiert sind, haben viele Möglichkeiten erhalten. Und das ist wunderbar. Es sei denn, der englische Ausdruck "Raketenwissenschaft", der etwas sehr Komplexes bedeutet, scheint veraltet zu sein.

Ich habe meine Gedanken zu demselben Thema kürzlich in einem Vortrag zum Thema „Kosmmonautik: Von der Romantik zum Realismus“ zum Ausdruck gebracht.


Die PS World Space Week endet am 10. Oktober. Vergessen Sie nicht, October Sky zu sehen. Sehr inspirierender Film.